Makabere Aktion stößt auf Empörung

Spurkenbach gleicht einem Friedhof – Behörde macht Spektakel ein Ende

Waldbröl - In Eigenregie hat ein Künstler 120 Kreuze als Mahnmale am „Schladern-Ring“ aufgestellt. Die Anwohner sind empört, die „Interessengemeinschaft B 256“ distanziert sich in aller Deutlichkeit von der Aktion, Zyniker benennen Spurkenbach in Kreuzbach um, die Behörde setzt dem makaberen Szenario ein Ende, und wieder passiert heute ein schwerer Unfall…

Allem voran: Die Holzkreuze konnten den heutigen Unfall um 17.05 Uhr auf dem Schladern-Ring nicht verhindern, bei dem ein 19-Jähriger Biker aus Nümbrecht in einer Rechtskurve stürzte und in ein entgegenkommendes Auto rutschte, von dem er noch teilweise überrollt wurde. Der junge Mann wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht.

Kreuze ohne Genehmigung postiert

Am Donnerstagabend (Christi Himmelfahrt) gegen 19.30 Uhr bemerkte ein Anwohner, dass am Straßenrand in Spurkenbach Kreuze aufgestellt wurden. Erst zu diesem Zeitpunkt erfuhr auch die „Interessengemeinschaft B 256“ (IGB) von der Aktion des Waldbröler Kunstlehrers und war entsetzt. „Das Kreuz, das auf unserem Grundstück stand, haben wir direkt entfernt“, erklärt Astrid Boddenberg, die sich auch im Namen der IGB deutlich von der makaberen Aktion distanziert. „Man ist sprachlos. Die ernsthaften Bemühungen zur Entschärfung der Strecke werden durch die Kreuze ins Lächerliche gezogen.“ Besonders pietätlos sei ein Kreuz, das direkt neben einer Gedenkstätte eines tatsächlichen Unfallopfers postiert wurde. Geschmacklos empfinden viele auch die Kreuze, die hoch in den Bäumen hängen oder vor Ortsschildern stehen. Auch die Tatsache, dass alle 120 Kreuze entlang der Strecke ehemals auf Gräbern gestanden haben sollen, sorgt für Empörung - nicht nur bei Anwohnern und Verkehrsteilnehmern.

Dr. Jochen Gran, evangelischer Pastor in Waldbröl, ist selbst Motorradfahrer und hat heute Mittag die schauerliche „Allee der Kreuze“ inspiziert. „Ich halte es für ethisch bedenklich, dass Kreuze verwendet wurden, die auf Gräbern standen, wo Menschen im Namen Jesu Christi beerdigt wurden“, so Gran.

Dass ausgerechnet ein Kunstlehrer der Schule, die laut Gran Religionsunterricht in einer sehr abgespeckten Form erteile und den Schulgottesdienst ganz abgeschafft habe, auf dem Schladern-Ring christliche Symbole instrumentalisiert, stimmt den Pastor nicht nur nachdenklich. „Dann sollten auch in der Schule christliche Impulse gesetzt werden“, empfiehlt Gran, der es als bedauerlich erachtet, dass Waldbröl stark an seinem Image als Motorrad unfreundliche Stadt arbeite. „Die meisten Biker sind verantwortungs- und rücksichtsvolle Fahrer in den besten Jahren. Bei ihnen erreicht man mit Information und Sensibilisierung wesentlich mehr als mit erschütternden Aktionen oder Sanktionen“, erklärt Gran, der eine sehr positive Resonanz bei seinen Motorradfahrer-Gottesdiensten vorweisen kann.

Nicht alle über einen Kamm scheren

Luba Maus von der IGB ist gleicher Meinung. Es gehe nicht darum alle Motorradfahrer zu verteufeln. Da müsse man sehr wohl differenzieren. Mit dem Antrag auf eine Sperrung der gefährlichen Strecke und einer Geschwindigkeitsbegrenzung wolle man nicht die willkommenen Fahrer treffen, die gemütlich durch Spurkenbach knattern, sondern die Renn-Piloten, die sich und andere in erhebliche Gefahr bringen.

Geschwindigkeitsbegrenzung statt schockierender Mahnmale

Die IGB setzt auf sachliche Aktionen und strebt unter anderem eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung für die Strecke an. In der Staffelung 90km/h - 70km/h-50 km/h sollen die Unfallschwerpunkte entschärft werden. Doch auch die jetzige temporäre Sperrung wurde positiv bewertet. „Während hier früher an den Wochenendtagen durchschnittlich 3.500 Motorräder vorbeirauschten, sind es jetzt nur noch zwischen 200 bis 300. Die meisten, die die Sperrung ignorieren, fahren laut IGB langsamer und besonnener. Dies sei allerdings keineswegs der fragwürdigen Kreuz-Aktion zu verdanken, sondern vielmehr den Hinweisschildern zur Sperrung und der verstärkten Präsenz der Polizei.


Kreuze müssen wieder entfernt werden

Der Landesbetrieb Straßen als Eigentümer des Grundes auf dem die meisten Kreuze aufgestellt wurden, hat sofort reagiert. „Der Künstler wurde heute aufgefordert, sämtliche Kreuze binnen einer Wochenfrist wieder zu entfernen. Anderenfalls erfolgt eine Ersatzvorname“, erklärt Klaus Büser, Sachbearbeiter Betrieb und Verkehr.

Realität am Schladern-Ring und warum die Spurkenbacher Sturm laufen

Tausende Motorradfahrer brettern an sonnigen Wochenenden über den Streckenabschnitt der B256 bei Spurkenbach. Das Donnern der Motoren ist schon aus weiter Ferne zu hören. Dann ging es oft beinahe im „freien Flug“ mit 120 km/h an den Häusern und der Bushaltestelle vorbei. Aber nicht alle Fahrer waren dieser Strecke gewachsen..

„Wir haben genug Leid gesehen“

„Wenn Sie die Schreie der Verletzten gehört haben und miterleben mussten wie ein junger Motorradfahrer nach einem schweren Unfall in den Armen seiner Schwester stirbt oder eine Mutter zur Unfallstelle kommt und sich bei der dramatischen Bergung ihres toten Kindes den Schmerz aus der Seele schreit oder gar in Ihren eigenen Armen ein Motorradfahrer stirbt, suchen Sie massiv nach einem Ende solcher Schreckensszenarien“, erklärt Otmar Maus. Der Spurkenbacher versichert, dass es den Anwohnern nicht vorrangig um die Lärmbelästigung durch die Motorräder gehe oder man grundsätzlich etwas gegen Motorradfahrer habe, sondern es gehe schlicht und einfach um die eigene Sicherheit und die anderer. „Wir haben hier genug Leid gesehen“, erklärt Maus. „Wenn man an einem Tag zwei tödliche Motorradunfälle miterlebt hat und schon sicher sein kann, dass dies nicht die letzten waren, sieht man den Schladern-Ring mit ganz anderen Augen.“

Katastrophen-Tourismus in der „Grünen Hölle“

Vor der Sperrung des Schladern-Rings versammelten sich Schaulustige wie Biker mit Vorliebe auf einer Hangwiese an einer sehr gefährlichen Rechtskurve. Gaffer und Biker seien mit Video-Kameras ausgerüstet gewesen und hätten einerseits nur auf den nächsten schweren Unfall gewartet, andererseits ihre Leistungen in Kurvenlage und Geschwindigkeit gemessen, erzählt ein Anwohner und fügt hinzu: Oft mit einer sehr dramatischen Bilanz. Dann waren die Spurkenbacher vor Ort und haben geholfen. Sie waren auch für die Angehörigen da, die nach schweren Unfällen - nicht selten mit tödlichem Ausgang - schmerzlichen Fragen nach dem Unfallhergang oder den letzten Worten ihrer Lieben stellten, und wieder waren sie mit dem Leid anderer konfrontiert. Heute müssen sie zudem täglich eine Kreuz-Allee passieren, die zu Himmelfahrt installiert wurde und bis Pfingstmontag entfernt werden muss. Es steht die Frage im Raum, welche symbolische Bedeutung die Anzahl der Kreuze hat. 120 tödliche Unfälle auf dem Schladern-Ring wurden bislang offizielle nicht bestätigt - schon gar nicht dort, wo die Kreuze stehen. (gbm-24.5.2004 22:55)



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