Erfolgreicher Abschluss einer weltweit ersten Studie

Therapeuten auf vier Pfoten

Begeistert von den therapeutischen Fähigkeiten der Hunde Penny und Buddy: Geschäftsführer Magnus Kriesten, Hundetrainerin Mareike Doll-Degenhardt, Studienteilnehmer Sven Hoffmeister und Oberarzt Dr. Andreas Sobottka (v.l.). Foto: Klinikum Oberberg
Marienheide - Penny hat einen siebten Sinn für Menschen, die ihre Hilfe brauchen. Die vier Jahre alte Hündin ist Therapiehund. Obwohl ihre Trainerin und einige Mitarbeiter des Zentrums für Seelische Gesundheit, eine psychiatrische Klinik innerhalb des Klinikum-Oberberg, auf der Wiese des Klinikgeländes stehen, richtet Penny ihre gesamte Aufmerksamkeit auf Sven Hoffmeister. Der 49-Jährige leidet an einer Depression. Penny spürt das.

Dass die Arbeit mit Penny und anderen ihrer Artgenossen eine Wohltat für die lädierte Seele der depressiven Patienten war, konnten Dr. Andreas Sobottka, leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie, und die Tiertrainerin und Hundezüchterin Mareike Doll-Degenhardt aus Wermelskirchen erstmals wissenschaftlich belegen. „Wir konnten beweisen, dass den Patienten durch die zusätzliche Anwendung eines speziell entwickelten Konzepts hundegestützer Therapie schneller und effektiver geholfen werden konnte“, erklärt Dr. Sobottka.

Die Vermutung hatte er schon lange - nur einen wissenschaftlichen Nachweis gab es bislang nicht. In der weltweit ersten wissenschaftlichen Studie zur Wirksamkeit hundegestützter Therapie bei Depressionen konnte das Experten-Duo belegen, dass sich die depressiven Symptome mit dem neuen Therapieverfahren schneller reduzieren ließen, als unter der bislang herkömmlichen Behandlung.

„Unter den depressiven Symptomen kommt der Suizidalität eine Schlüsselrolle zu: etwa fünf bis zehn Prozent der Menschen mit Depression sterben durch Selbsttötung. Auch bei diesem besonders bedeutsamen und sensiblen Aspekt der depressiven Erkrankung konnten wir nachweisen, dass durch die Anwendung der hundegestützten Therapie die Gefährdung, durch Suizid an der Depression zu versterben, schneller abnahm.“

Neun Monate lang - von Januar bis November 2011 - war das Zentrum für Seelische Gesundheit in Marienheide die Wirkungsstätte der Australiana Working Kelpies Penny, Buddy und Co. Die Therapeuten auf vier Pfoten fanden schnell Zugang zu den insgesamt 60 depressiven Patienten, die an der Studie teilnahmen. „Die Australien Working Kelpies sind für die Arbeit mit depressiven Patienten besonders geeignet, weil sie über den so genannten ,sheep sense’ verfügen“, erklärt Mareike Doll-Degenhardt. Die Rasse ist in der Lage nicht nur Schafe zu hüten, sondern weiß sowohl mit großen Tieren wie Rindern als auch kleinen Schützlingen wie Enten umzugehen.

Dank ihrer Sensibilität, ihres Einfühlungsvermögens und ihres hohen Maßes an Selbständigkeit eignen sich die Australien Working Kelpies besonders für die Arbeit mit depressiven Patienten.

Penny weicht Sven Hoffmeister nicht von der Seite. Sie blickt ihn permanent an und sucht den Kontakt zu dem 49-Jährigen. Was seiner Familie in der akuten Depression nicht mehr geglückt war - Penny schafft es: Sie findet Zugang zu Hoffmeister. „Penny hat mir das Leben gerettet“, sagt Sven Hoffmeister. Er hat sich aus einer anderen Klinik extra nach Marienheide verlegen lassen, weil er von der Studie im Internet gelesen hatte. „Ich war damals schwer depressiv, die Bindung zu dem Hund hat mir geholfen“, schildert er die Situation vor einem Jahr. „Penny schafft es, selbst einen
depressiven Menschen zum Lachen zu bringen.“ Er habe in der Depression keine Emotionen mehr empfunden. „Mit Penny kamen die Emotionen zurück.“

An einem verregneten Nachmittag habe er mit Penny einfach nur geschmust, erzählt Hoffmeister. „Das war ein Glücksgefühl, das mindestens zwei Tage angehalten hat.“ Wenn der 49-Jährige Penny durch einen Hindernisparcours dirigieren sollte, dabei auf Kommandos und seine Körpersprache achten sollte, dann - so sagt er - habe er Selbstbewusstsein getankt. „Der Hund hört auf mich, das hat mich gestärkt.“

Die positive Veränderung im Befinden der Patienten durch die hundegestützte Therapie wurde mit einem Instrument gemessen, welches von dem amerikanischen Forscher Aaron T. Beck entwickelt wurde - dem Beck-Depressions-Inventar. Auf Grund der Übersetzung dieses Messinstruments in zahlreiche Sprachen, des Studiendesigns und der Orientierung an anerkannten medizinischen und wissenschaftlichen Richtlinien ist eine internationale Vergleichbarkeit der Ergebnisse gegeben.

In der Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“ werden die jetzt ausgewerteten Ergebnisse in Kürze veröffentlicht. Dr. Sobottka und die Tiertrainerin hoffen, dass durch die jetzt wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung der hundegestützten Therapie dieser potentiell lebenserhaltenden Therapieform künftig eine deutlich höhere Bedeutung beigemessen wird bei der Behandlung von depressiven Patienten.

Gegenwärtig wird die Bereitstellung eines an die Studie angelehnten Behandlungsangebotes für Betroffene vorbereitet. Hoffmeister ist leider wieder erkrankt und wird zurzeit im Zentrum für Seelische Gesundheit behandelt. Penny hat ihn bereits besucht. (red.-06.09.2012 18:09)



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