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20. Internationales Gefährdetenhilfeforum

Stiftung für internationale diakonische Straffälligenhilfe gegründet

Bei der Podiumsdiskussion - von links: Holger Lüth (Leiter der JVA Stralsund), Alexander Prechtel (Generalstaatsanwalt a.D.), Achim Halfmann (Gefährdetenhilfe Scheideweg) und Bodo Krumbholz MdL (SPD; Rechtsausschussvorsitzender im Landtag Mecklenburg-Vorpommern)
Die Entscheidung für den Aufbau eines internationalen Schulungsprogramms für die diakonische Straffälligenhilfe stand am Ende einer Tagung der "Bundesarbeitsgemeinschaft seelsorgerlich-diakonischer Gefährdetenhilfen (BSDG) e.V.", die am Montag in Waren (Müritz) zu Ende ging.

Vorbereitet wurde das Forum durch die Gefährdetenhilfe Scheideweg e.V. (Hückeswagen), die an der Müritz das Gutshaus "Schloß Wendorf" als diakonisches Zentrum unterhält.

Die 180 Delegierten vertraten 36 diakonische Straffälligenhilfevereine aus 14 Ländern und vier Kontinenten. Einen Schwerpunkt der Tagung bildete die Entwicklung von Strafvollzug und Straffälligenhilfe in Ost- und Westeuropa. Dabei beschrieb der international erfahrene langjährige rheinische Vollzugspräsident Dr. Klaus Koepsel die westeuropäischen Staaten als "Sorgenkinder der Strafvollzugsentwicklung": So werde aufgrund schwerer Delikte verurteilten Straftätern in Deutschland zunehmend die Chance auf eine Bewährung im Strafvollzug genommen, was diese Menschen resignieren lasse. "Erstmals entwickelt sich in Deutschland ein Strafvollzug der 'real lifers', und wir müssen uns auf das Sterben Gefangener in Haft vorbereiten. Vor 25 Jahren hätten wir uns das nicht träumen lassen", sagte Dr. Koepsel. Zugleich wüssten die Bediensteten nicht mehr, warum diese Menschen in Haft behandelt werden sollten, wenn ihre Entlassung ja doch nicht zu erwarten sei.

Verstärkte Anstrengungen bei der Ausbildung insbesondere junger Menschen forderte der Landtagsabgeordnete und Rechtsausschussvorsitzende Bodo Krumbholz (SPD) bei einer Podiumsdiskussion. 72% dieser jungen Menschen hätten keinen Schulabschluss. Moderne Sicherheitstechnik in den Haftanstalten könne Beamte z.B. für Bildungsaufgaben freistellen.

Über den dringend benötigten Ausbau von Strukturen der Straffälligenhilfe in seinem Land berichtete der Leiter des Forschungsinstitutes des Föderalen Russischen Strafvollzugsdienstes, Prof. Oleg Kovalev. Die Russische Föderation hat die Zahl ihrer Gefangenen von 1.3 Millionen auf heute 760.000 Menschen reduziert. Entsprechend viele Haftentlassene sehen sie den Problemen der Wohnungs- und Arbeitssuche und des Aufbaus neuer Beziehungen in Freiheit gegenüber, berichtete Kovalev. Aber auch für den Strafvollzug sei das gesellschaftliche Engagement hinter den Mauern bedeutsam, betonte der Wissenschaftler: In den zurückliegenden Jahren seien etwa 20 Gesetze zur Reform des Strafvollzuges verabschiedet worden. "Das wirkt aber nur, wenn sich auch das Denken der Strafvollzugsbediensteten verändert", betonte Kovalev. Regelmäßige Schulungen und Besuche gesellschaftlicher Gruppen in den Strafeinrichtungen tragen nach seiner Überzeugung zu dieser Veränderung bei. Die Gefährdetenhilfevereine engagieren sich modellhaft mit einem Projekt im asiatischen Teil Russlands in Ulan Ude in der Straffälligenhilfe der russischen Föderation und vereinbarten mit den Vertretern des russischen Strafvollzuges auf einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch und gemeinsame Programme.

Dr. jur. Klaus Koepsel, Rheinischer Vollzugspräsident a.D. und Mitglied einer Vollzugskommission des Europarates, bei seinem Vortrag
Vorgestellt wurden in Waren unterschiedliche neue Projekte der diakonischen Straffälligenhilfe: eine Farm für Haftentlassene im kenianischen Hochland, eine Gesprächsgruppe im Frauenstrafvollzug der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar, medizinische Hilfen für die Gefangenen in Südindien oder eine Tagesstätte für die Kinder von Prostituierten in Sao Paulo. Diese und andere neu gegründete Initiativen soll eine "Stiftung für internationale diakonische Straffälligenhilfe" fördern, deren Gründung für Anfang des kommenden Jahres vorbereitet wird.

Zudem wollen sich die diakonischen Gefährdetenhilfevereine weltweit verstärkt in der Schulung ehrenamtlicher Mitarbeiter engagieren: So wurde ein etwa 500 Seiten umfassender Kurs in die englische Sprache übersetzt. Nun soll dieser Kurs für den Einsatz auf vier Kontinenten weiter bearbeitet werden.

Die "Bundesarbeitsgemeinschaft seelsorgerlich-diakonischer Gefährdetenhilfen (BSDG) e.V." und deren internationaler Zweig IACPR (International Association of Christian Prison and Rehabilitation Ministries" vertreten etwa 40 Mitgliedsvereine auf vier Kontinenten, die das ehrenamtliche Engagement im Strafvollzug und die Aufnahme Haftentlassener in Familien, Freizeitgruppen und eigens zu diesem Zweck gegründete Betriebe verbindet. Ihr Engagement verstehen die Mitglieder als praktischen Ausdruck christlicher Nächstenliebe. Das Internationale Gefährdetenhilfeforum findet an jedem letzten Wochenende im Oktober (Donnerstag bis Sonntag) statt - 2006 in der Schweiz, 2007 in Österreich und 2008 in Polen. Das erste Internationale Forum fand 1986 in Hückeswagen statt. (oh-8.11.2005 20:28)


 



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