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Ehrenmitgliedschaft für Dietmar und Hildegard Baumhof

Pioniere der Wachkoma-Patienten-Betreuung ausgezeichnet

Wassertherapie bei einem Patienten im Wachkoma.
Foto: Privat
Bergneustadt - Aufgrund ihrer jahrelangen großen Verdienste sind Dietmar und Hildegard Baumhof mit der Ehrenmitgliedschaft des Bergneustädter Vereins „Patienten Im Wachkoma e.V.“(PIW E.V.) ausgezeichnet worden, an dessen Gründung sie 1995 maßgeblich beteiligt waren.

In einer kleinen Feierstunde überreichten der 1. Vorsitzende Uwe Pohl und seine Stellvertreterin Mechthild Glunz dem Ehepaar die Urkunden. Es sei eine Herzensangelegenheit des Vorstandes, die beiden als Ehrenmitglieder im Verein begrüßen zu dürfen, so Uwe Pohl.

Bis ihre Tochter Ilona aus einer misslungenen Routineoperation nicht mehr aufwachte und nach einem Jahr im Wachkoma starb, hatten Dietmar und Hildegard Baumhof das Wort Wachkoma nicht einmal gehört. Das Ehepaar empfand den Tod ihrer Tochter nicht als “Erlösung“, sondern als Lebensberufung. Beide gaben ihre Berufe auf und bauten ihr Privathaus in Neuenothe so um, dass dort bis zu zehn Patienten auf ein Leben zu Hause vorbereitet werden konnten.

Krankheitsbedingt kann das Ehepaar heute nicht mehr aktiv bei der Betreuung von Wachkoma Patienten mitarbeiten. Die bundesweit einmalige private Reha-Einrichtung des Vereins befindet sich nach wie vor in Neuenothe und zwar Im Hepperblick 3. Der Verein hat heute bundesweit etwa 500 Mitglieder, viele von ihnen sind persönlich betroffen. In Fachkreisen ist der Verein für seinen erfolgreichen alternativen Umgang mit Menschen im Wachkoma bekannt.

Menschen im Wachkoma

Etwa 10.000 Menschen fallen jährlich ins Wachkoma Ein Herzinfarkt, Schlaganfall oder Unfall oder eine Reanimation zählen zu den häufigsten Ursachen für ein Wachkoma, von dem Menschen jeden Alters betroffen sein können. Das „Apallische Syndrom“, wie das Wachkoma in der Fachsprache heißt, ist ein schlafähnlicher Zustand mit offenen Augen: Der Patient ist zwar wach, kann sich aber nicht für Laien erkennbar äußern, zeigt keine sinnvollen Reaktionen, schaut ins Leere. Die Menschen nehmen ihr Umfeld wahr - können es aber nicht zuordnen. Viele Ärzte gäben diese Patienten zu früh auf, beklagt der Verein.

Etwa zehn Anfragen aus dem In- und Ausland erhält PIW e.V. pro Monat. Denn die Rat- und Hilflosigkeit bei Angehörigen, ist riesig. Wachkoma - das weckt Assoziationen von „Hirntoten“, von bewusstlosem Dahinvegetieren von menschlichen Hüllen, die zwar Schlaf- und Wachphasen haben, Nahrung aufnehmen und verdauen können, aber ansonsten ohne Empfindung und Selbstbewusstsein am Rande des Todes dahindämmern.

Für die Mitstreiter des PIW E.V. e.V. sind diese Patienten aber Menschen, die fühlen und empfinden und für deren Genesung oder Wohlbefinden alles getan werden muss. „Wachkomapatienten brauchen nicht Sterbehilfe sondern Lebenshilfe“, ist die Devise des Vereins. In der Bergneustädter "Wachkoma-WG", wie Karl Heinz Andree das betreute Wohnen bei PIW e.V. manchmal nennt, ist nichts von steriler Krankenhaus-Atmosphäre zu spüren. Hier trägt niemand einen weißen Kittel,- an den Wänden hängen Bilder von Angehörigen, es gibt Kuscheltiere oder andere Gegenstände, die den Patienten lieb waren.

Die meisten Patienten, die nach Bergneustadt kommen, atmen mit Hilfe von Tracheostoma (Luftröhrenschnitt mit Absaugvorrichtung), und sind mit Magensonde und Katheter „pflegefertig“ gemacht worden. Beim PIW E.V. e.V. hat man der dauerhaften Luftröhrenkanüle, deren rasselndes Schnorcheln durch Mark und Bein dringt, mit Erfolg den Kampf angesagt. Denn sie verhindert, dass Patienten reden, schreien, schmecken und riechen können. „Bis zu 80 Prozent der Patienten können wir die Kanüle abtrainieren“, berichtet Mitarbeiter Karl Heinz Andree. Beim Absetzen der sedierenden Medikamente liegt die Quote sogar noch darüber.

Auch essen sollen die Menschen im Wachkoma so normal wie möglich. Deshalb wird die Astronautenkost (Sondenkost) schrittweise abgesetzt, und durch normale, pürierte Kost abgelöst. Wo Patienten (noch) nicht selbst schlucken und kauen können, wird die dennoch nötige Magensonde nur in Gang gesetzt, wenn die Patienten sitzen. „Wir essen doch auch nicht im Liegen“, ist die einfache Erklärung. Auch regelmäßiges Stehen, Training am Fahrrad Licht- und Klangtherapie, Schwimmen,Logo- und Ergotherapie gehören in Bergneustadt zum Therapieprogramm. Angehörige werden bewusst in die Pflege einbezogen. Denn Ziel ist, dass die Wachkoma-Patienten nicht in ein Dauerpflegeheim, sondern nach Hause entlassen werden können. „Das hier ist keine Pflegeheim sondern ein Trainingslager für das Leben zu Hause. Wir sind kein Heim, wir bringen sie heim.“, so Vereinsvorsitzender Uwe Pohl.

Nur sehr, sehr selten gelingt es, einen Menschen wieder ins Leben zurückzulocken bis dahin, dass er wieder in den Arbeitsprozess zurück kehren kann. Der Fall des 19jährigen Försterlehrlings Bennie Jung, der in Bergneustadt nach 56 Wochen aus dem Koma erwachte, und seine Freundin, die ihn ständig betreut hatte, mit den Worten „Ich liebe dich“ begrüßte, gehört zu den spektakulären Ausnahmen. Erzielen lassen sich solche Erfolge nur bei früher Rehabilitation und mit engen sozialen Kontakten.

Die Mitglieder von PIW E.V. e.V. sind überzeugt: Menschen im Wachkoma sind weder Sterbenskranke noch „Hirntote, auch wenn sie nie wieder „funktionieren“ wie Gesunde. Und so werden auch die Menschen, die scheinbar nichts von ihrer Umwelt wahrnehmen, liebevoll angesprochen. Wenn Patienten etwa Post bekommen, ist es bei PIW e.V. selbstverständlich, dass sie ihnen vorgelesen wird.

Und wenn es trotz vielfältiger Therapieangebote, keine messbaren Fortschritte gibt? Dann gilt in Bergneustadt das Václav Havel Zitat „ Hoffnung ist auch nicht dasselbe wie Optimismus. Sie ist nicht die Überzeugung, dass etwas klappen wird, sondern die Gewissheit, dass etwas seinen guten Sinn hat - egal, wie es am Ende ausgehen wird.“

Kontakt: 02261/94 94 44
Spendenkonto: Volksbank Oberberg Kto 220 5555016 BLZ 384 62135
www.piw-ev.de
(red.-05.05.2009 12:36)


 


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