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Zarte Blütenpracht am Waldboden unberührt lassen

Frühblüher bringen wieder Farbe in den Wald

Buschwindröschen (Foto: Jan Preller)
Oberberg - Mit den ersten Sonnenstrahlen im März und April tauchen zunächst einzelne Blüten in Weiß, Blau oder Gelb im Waldboden auf. Schon wenige Tage später bilden sich ganze Teppiche aus Buschwindröschen, Leberblümchen und Schlüsselblumen über dem braunen Laub des Vorjahres. Auch in den bergischen Wäldern nutzen Frühjahrsblüher im Wald jetzt das Frühjahrslicht und erfreuen mit der ersten Farbenpracht nach dem langen Winter.

„Bei Spaziergängen sollte der Blick daher unbedingt nach unten schweifen. Frühjahrsblüher wachsen in unglaublicher Geschwindigkeit mit üppigen Blüten. Das ist jedes Jahr aufs Neue ein geheimnisvolles Naturschauspiel“, sagt Forstamtsleiter Günter Dieck vom Regionalforstamt in Gummersbach. Zu entdecken sind zurzeit weiße Buschwindröschen (Anemone nemorosa), schwefelgelbe Waldschlüsselblumen (Primula elatior), dottergelbes Scharbockskraut (Ranunculus ficaria), blaue Leberblümchen (Hepatica nobilis), violette Veilchen (Violaceae) oder der vielfarbige Lerchensporn (Corydalis cava).

„Eine Grundregel für Waldbesucher lautet: Nur gucken, nicht anfassen!“ betont Günter Dieck. Frühjahrsblüher im Wald stehen unter Naturschutz und dürfen weder gepflückt noch ausgegraben werden. „Die Blumen haben ja ohnehin nur ein sehr enges natürliches Zeitfenster, in dem sie blühen und sich vermehren können. Deshalb sollten sie immer an ihrem Standort belassen werden“, erläutert Dieck. Als Blumenstrauß halten die kleinen Waldblüten ohnehin nur sehr kurz. Auch sind Insekten und insbesondere Hummeln auf den Pollen und Nektar der ersten Blüten angewiesen. „Wer die Frühjahrsblüher stehen lässt, tut also aktiv etwas für den Schutz unserer Wälder“, so Dieck. Viele Pflanzen enthalten für den Menschen außerdem giftige Stoffe, beispielsweise auch das Scharbockskraut, warnt der Wald-Experte.

Die krautigen Frühblüher aus unterschiedlichen Pflanzenfamilien zählen botanisch zu den mehrjährigen Stauden und hier speziell zur Gruppe der Geophyten. „Das leitet sich aus dem Griechischen ab, Ge für Erde und phyton für Pflanze. Weil sie im Winter völlig verschwunden sind, ist ihr Geheimnis unter der Erde zu suchen“, erklärt Dieck. Als Überwinterungsorgane kommen Knollen (beim Scharbockskraut) oder Wurzelstöcke (beim Buschwindröschen) vor, die für die Frühjahrsblüher eine überlebenswichtige Funktion haben: In ihnen sind Nährstoffe und Energie gespeichert, die trotz der noch niedrigen Temperaturen im März und April ein schnelles Wachstum ermöglichen.

„Geschwindigkeit ist für die kleinen Krautigen am Waldboden das Allerwichtigste. Schon im Mai, wenn die Bäume mit den frisch ausgetriebenen Blättern kein Licht mehr an den Boden lassen, muss von der Befruchtung bis zur Samenreife alles erledigt sein“, erläutert Dieck. Bei dicht belaubten Baumkronen erreichen nur noch Bruchteile des vollen Tageslichtes den Waldboden und machen die Photosynthese für viele Arten dort unmöglich. Die meisten Arten ziehen sich dann wieder in die Erde zurück und warten auf ihren nächsten Auftritt im nächsten Frühling. Einige Frühblüher aber wie Kriechender Günsel, Waldmeister, Waldbingelkraut und Lungenkraut behalten ihre Blätter auch später im Schatten des belaubten Waldes. Obwohl dann nur etwa zwei Prozent der Sonnenstrahlen den Waldboden erreichen, können diese Pflanzen ihren Stoffwechsel entsprechend umstellen und auch in der lichtarmen Zeit ausreichend Photosynthese betreiben.

Die Vielfalt der Wald-Flora begeistert den Förster jedes Frühjahr aufs Neue: „Die Wald-Schlüsselblume (Primula elatior) verdankt ihrem Namen der Pflanzenform, die einem Schlüsselbart ähnelt. Dagegen erinnern Knolle und Blütenform des Hohlen Lerchensporns (Corydalis cava) an die Krallen des gleichnamigen Vogels“, erklärt Dieck. Das Buschwindröschen (Anemone nemorosa) kommt in unseren Breiten häufig vor und bildet in feuchten Laubwäldern große Blütenteppiche. Die weißen Sternblüten öffnen sich aber nur bei schönem Wetter.

Blühen in einem Wald viele Geophyten-Arten, zeigt das oft alte Eichen- und Buchenbestände an. Unter den Frühjahrsblühern gelten insbesondere Waldbingelkraut und Leberblümchen als Zeigerarten für historisch alte Wälder. So nennt die Forstwissenschaft Bestände, die seit mehreren hundert Jahren fortwährend bewaldet sind.

Das blaue Leberblümchen gehört zu den am frühesten blühenden Arten. Es erhielt seinen Namen aufgrund der Blattform, die an die menschliche Leber erinnert. In der Signaturenlehre der Naturmedizin glaubte man früher, Krankheiten können durch Pflanzen geheilt werden, die menschlichen Organen ähneln. Wie viele andere Waldpflanzen nutzt auch das Leberblümchen Ameisen, um sich zu vermehren. „Dabei haben es die Ameisen nicht auf den Samen selbst abgesehen. Vielmehr lockt ein daran befestigter Ölkörper, das so genannte Elaiosom, die Ameisen mit Duftstoffen an“, erklärt Forstamtsleiter Günter Dieck. Die Ameisen transportieren den Samen zu ihrem Nest, fressen aber nur den Ölkörper. So tragen sie zur Verbreitung der Pflanzensamen bei. „Es muss also viel zusammenkommen, damit Geophyten wie Leberblümchen wachsen und sich ausbreiten können. Nicht wenige Vorkommen sind übrigens auch dadurch verschwunden, weil die hübschen Pflanzen verbotenerweise ausgegraben wurden, um sie im eigenen Garten anzusiedeln“, sagt Dieck. Dabei wachsen die meisten Geophyten im Hausgarten gar nicht, weil ihnen dort die spezifischen Bedingungen des Waldbodens fehlen. „Waldpflanzen gehören in den Wald und Gartenpflanzen in den Garten“, fasst Dieck zusammen. (red.-02.04.2015 10:01)



 


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