Suche:
 Inhalt

Geschichten rund um den Weihnachtsschmaus (5)

Das Schwein - Klassiker als Braten

Oberbergischer Kreis - Borstenvieh und Schweinespeck ist der Deutschen Lebenszweck, das kann man in Abwandlung der berühmten Arie aus dem Zigeunerbaron trotz aller Schreckensmeldungen über Schweinefleisch immer noch sagen. Das Schwein ist besser als sein Ruf. Durchschnittlich wird in der Bundesrepublik pro Kopf im Jahr über 40 Kilogramm verzehrt, egal ob als Wurst, Schinken, Kotelett, Kasseler, Schnitzel oder Braten. Letzterer ist als Weihnachtsschmaus schon immer sehr beliebt gewesen.
Das rosige Tier mit dem Ringelschwanz, das von Biobauern in Freilandhaltung liebevoll dick gefüttert oder in Mastbetrieben mit ausgeklügelten Fressalien nach EU-Vorschriften auf Schlachtgewicht gebracht wird, hat jedoch nichts mit dem Tier zu tun, das in grauer Vorzeit zu Weihnachten geschlachtet wurde. Zu Beginn der Geschichte steht auch nicht das Borstentier, das von Schweinehirten in die Eichen- und Buchenwälder getrieben wurde, um sich an den Früchten der Bäume zu laben.

Der Ursprung liegt viel weiter zurück. Am Anfang stand ein wildes, mächtiges, unzähmbares Tier, der schwarze Eber des alten Odin, auch Wotan genannt, der als oberster Gott der Asen, auch als Anführer der wilden Jagd galt. Bezeichnend für ihn waren Legenden zufolge seine Vorlieben für Verkleidungen. So soll er als einäugiger großer Mann mit langem blauen Mantel durch die Lande gezogen sein, begleitet von Raben und Wölfen.

Er kehrte bei den Menschen ein, um zu erfahren, was sie denken und planen. In Odins Burg Walhall saßen laut Sage alle die an Kampfeswunden gestorben waren zusammen, bereiteten sich auf die letzte Schlacht gegen das Böse und Zerstörerische der Welt vor und aßen jeden Mittag in der großen Halle von Odins schwarzem Eber.

Die Menschen fürchteten sich vor dem Zorn des Gottes und seiner unterdrückten Wut. Wenn sie sich zum Essen niedersetzten, opferten sie ihm jedes Mal etwas von ihrer Speise. Wenn Odin aber im Winter mit seinem Getier im Sturm vorbeibrauste, musste ein ganzer Eber daran glauben, um ihn gnädig zu stimmen. Das schwarze Schwein wurde zu der Zeit überm Feuer gebraten, als in Bethlehem das Jesuskind geboren wurde. Das Christentum kam nach Europa, die Angst vor dem mächtigen Germanengott verblasste, was blieb, war das Schwein, das ohnehin im Dezember geschlachtet wurde, weil man im Winter nur schwer Futter herbeischaffen konnte. Zu Martini lieferten die Bauern und Pächter den Grundherren und den Klosterbrüdern ihre Naturalabgaben und Schweinefleisch gehörte dazu. Auf alten Bildern kann man gut sehen, wie geprasst und gefeiert wurde, bis man den Gürtel aufschnallen musste.

An Opfer dachte niemand mehr, auch kam kein ganzer Eber mehr auf den Tisch. Man begnügte sich, einen verzierten Schweinekopf aufzutragen, der später vom gekochten Schinken oder dem Schweinebraten abgelöst wurde. Weil das Christentum nun auch seine Symbole verlangte, legte man zwölf Schmor-Äpfel um das Fleisch herum, für jeden Apostel einen oder man servierte drei Beilagen, in Verehrung der Heiligen Dreifaltigkeit.

Der kulinarische Siegeszug von Odins schwarzem Eber setzte sich bis in die heutige Zeit fort. Wer zu Weihnachten Schweinefleisch kredenzen will, findet eine solche Vielfalt an Rezepten, dass er im wahrsten Sinne des Wortes die Qual der Wahl hat.

TEXT: Anke Mortsiefer


 



© 2003-2023 oberberg-heute.de Alle Rechte vorbehalten. Impressum / Datenschutzerklärung